Baumschutz in Münster und allgemein

Wenngleich Münster nicht zu den grünsten Städten Deutschlands und noch nicht einmal in NRW gehört, ist es doch reichlich mit Bäumen versorgt. Allerdings gilt das nicht für alle Stadtteile, beispielweise nicht für Gremmendorf. Auch ist der Baumbestand im ganzen Stadtgebiet gefährdet. So fielen dem Ausbau der Umgehungsstraße zahlreiche Bäume zum Opfer. Im November 2016 ließ eine private Eigentümerin im Bereich der Stettiner Straße in Coerde ca. 40 teils schöne alte Eichen und andere Bäume und Büsche fällen. Immer wieder erhalten wir die Meldung, dass Bäume gefällt werden, und werden gefragt, was man dagegen tun kann. Die nachfolgenden Überlegungen sollen das näher beleuchten und die - leider nur begrenzten - Möglichkeiten zum Schutz der Bäume aufzeigen. Auf die große Bedeutung und den vielfachen Nutzen von Bäumen genauer einzugehen, halte ich in diesem Zusammenhang für entbehrlich.

I. Geht es um die Gefahren für Bäume und um ihren Schutz, sind vorweg die folgenden grundlegenden Fragen zu klären:

1. Wo stehen die Bäume? Sie können a) auf privatem Grund stehen, entweder im bebauten Gebiet oder in der freien Landschaft (private Bäume), b) im öffentlichen Raum, an Straßen, Plätzen oder in Grünanlagen (öffentliche Bäume, Stadtbäume), c) im Wald; was Wald ist, definieren § 2 Bundeswaldgesetz, § 1 Landesforstgesetz.

2. Welche Gefahrenquelle bedroht die Bäume? Möglich ist

a) eine von dem Baum ausgehende wirkliche oder vermutete Gefährdung für Menschen oder Sachgegenstände, die Anlass für Maßnahmen der Verkehrssicherung ist.

b) die Entscheidung eines privaten Eigentümers, der den Baum wegen Laubanfalls, Beschattung oder aus sonstigen Gründen beseitigen lassen will; ein Anlass zum Abschneiden von Ästen oder zum Fällen eines Baumes kann auch ein Nachbarstreit sein.

c) der Bau oder Ausbau einer Straße, vorbereitet durch einen Planfeststellungsbeschluss, oder ein anderes Verkehrsprojekt, z. B. ein Kanalausbau.

d) die Schaffung von Bauland, planerisch vorbereitet durch einen Bebauungsplan.

e) ein Bauvorhaben außerhalb eines Bebauungsplans, dem Bäume entgegenstehen, und für das eine Baugenehmigung oder eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erteilt wird.

f) Selbst bei normalen Landschaftspflegemaßnahmen können Bäume unnötigerweise gefällt werden, etwa wenn einer Firma versprochen wird, dass sie das anfallende Holz in Anrechnung auf ihre Vergütung behalten darf, und deshalb den einen oder anderen Baum zusätzlich mitnimmt.

g) Auch Kalamitäten wie Stürme, Schädlings- oder Pilzbefall können die Bäume gefährden.

3. Wer ist Träger der Entscheidung? Liegt wie in den Fällen 2 a), c)-e) die Entscheidung einer Stelle der öffentlichen Verwaltung zugrunde, ist zu klären, welche Stelle das ist. Eine solche Stelle kann sein: eine Straßenbaubehörde wie Straßen NRW, eine Kommunalbehörde wie die Stadt-, Gemeinde- oder Kreisverwaltung, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die Flurbereinigungsbehörde, die Deutsche Bahn, beim Wald: das Forstamt. Vielfach trifft die Verwaltungsstelle nur die Entscheidung über das Ob, während die Ausführung einer privaten Firma übertragen wird.

Im Folgenden werden einzelne Bereiche behandelt, bei denen ein Schutz von Bäumen geboten ist oder stattfindet.

II. Die Verkehrssicherungspflicht soll verhindern, dass Menschen und Sachgegenstände (meist: parkende Autos) durch umstürzende Bäume und abknickende Äste zu Schaden kommen. Auslöser kann sowohl ein öffentlicher als auch ein privater Baum sein. Droht wirklich ein solcher Schaden und kann er nur durch Abschneiden des Astes oder Fällen des Baumes abgewendet werden, ist das gerechtfertigt (und betrifft private und öffentliche Bäume). Welche Kontrollen aber nötig sind und ob der Baum beschnitten oder gefällt werden muss, ist gesetzlich nicht geregelt. Es entscheiden dann die Gerichte, wenn ein Schaden eingetreten ist. Wollen sie dem Kläger zu einer Entschädigung verhelfen, bleibt ihnen nur der Weg, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu bejahen. Dadurch werden diese Pflichten zu Lasten der Bäume weit ausgedehnt, noch weiter, wenn dann auch noch ein rabiater Baulastträger oder ein ängstliches Grünflächenamt zu Werke geht. Das ist bedauerlich, aber wohl nicht zu ändern. Immerhin hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 2. 10. 2012 (VI ZR 311/11) eine Verkehrssicherungspflicht für Bäume im Walde abgelehnt, so dass dort keine Bäume vorsorglich gefällt werden müssen.

III. In den oben I 2 c) genannten Fällen findet ein Planfeststellungsverfahren statt, an dem die Naturschutzverbände (NV) normalerweise beteiligt werden. Dem zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gehörenden Gutachten kann entnommen werden, ob Bäume (öffentliche oder private) gefällt werden sollen. In Anwendung der Eingriffsregelung nach §§ 13 ff. Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und §§ 30 ff. Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) ist dann zu entscheiden, ob das Beseitigen von Bäumen vermieden oder reduziert werden kann und, falls nicht, welche Kompensationsmaßnahmen ergriffen werden (Neuanpflanzung von Bäumen?). Dazu können die NV (in der Regel über das Landesbüro in Oberhausen) Stellung nehmen. Möglicherweise haben die NV, wenn ihren Einwendungen nicht Rechnung getragen wird, sogar ein Klagerecht. Handelt es sich allerdings um eine Autobahn oder Bundesstraße, kann diese kaum mehr verhindert werden, weil sie im Bundesverkehrswegeplan und im Fernstraßen-Ausbaugesetz als erforderlich aufgeführt wurde - dann sind auch die im Wege stehenden Bäume nicht mehr zu retten. Vielfach empören sich Anlieger erst, wenn der Bagger bereits sein Zerstörungswerk betreibt; dann bleibt uns nur noch der Hinweis: Ihr hättet euch früher kümmern müssen!

IV. Ähnlich wie vorstehend läuft es im Fall oben I 2 d) bei Erlass eines Bebauungsplans. Allerdings werden die NV daran grundsätzlich nicht beteiligt und haben auch kein Klagerecht. Es ist aber meist möglich, sich die Unterlagen zu besorgen, Einsicht in den Umweltbericht zu nehmen und die im Falle von Eingriffen in die Natur gebotenen Kompensationsmaßnahmen kritisch zu überprüfen. Dabei kann auch vorgeschlagen werden, ein Erhaltungsgebot für bestimmte Bäume (öffentliche und private) in den Plan aufzunehmen (möglich nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB). Allerdings sind in Städten mit knappem Wohnraum wie beispielsweise in Münster die Baugrundstücke inzwischen so klein bzw. werden so dicht bebaut, dass es kaum mehr Platz für Bäume gibt.

Baurecht kann also zur Zerstörung von Bäumen führen, kann Bäume aber auch schützen, insbesondere über das Erhaltungsgebot und über den Schutz des Außenbereichs vor Bauvorhaben (§ 35 BauGB). Einige weitere Regelungen zum Verhältnis des Naturschutzrechts zum Baurecht enthält § 18 BNatSchG.

V. Weitere Instrumente zum Schutz der Bäume:

1. Die für den Außenbereich bestimmten Landschaftspläne (Münster hat drei: für den Osten, den Norden und den Westen) weisen Naturschutzgebiete (in Münster: Rieselfelder, Werse, Vorbergshügel, Aa, Davert, Wolbecker Tiergarten) und Landschaftsschutzgebiete aus, wodurch auch Bäume geschützt werden. Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 LNatSchG können auch Einzelbäume als schutzwürdig aufgenommen werden. Eine spezielle Schutzkategorie für Bäume ist das Naturdenkmal. Nach § 28 BNatSchG kann ein Baum als Naturdenkmal geschützt werden, wenn es dafür wissenschaftliche, naturgeschichtliche oder landeskundliche Gründe gibt, im Übrigen wegen seiner „Seltenheit, Eigenart oder Schönheit“. Bäume können auch zu nach § 29 BNatSchG geschützten Landschaftsbestandteilen gehören. Der Schutz durch einen als Satzung erlassenen Landschaftsplan betrifft private und öffentliche Bäume und ist rechtlich verbindlich.

2. Naturdenkmale in einem Gebiet, für das es keinen Landschaftsplan gibt, insbesondere im baulichen Innenbereich, können rechtsverbindlich durch Verordnung geschützt werden. Die für Münster geltende VO von 2001 schützt 637 Bäume als Naturdenkmale.

3. Nicht verbindlich, aber für den Baumschutz nützlich ist eine Grünordnung (in § 11 Abs. 1 BNatSchG erwähnt). Münster hat eine solche Grünordnung; die letzte Fassung stammt von 2012. Sie schützt keine einzelnen Bäume, hat aber insofern eine ganz besondere Bedeutung, als sie drei Grünringe (der innerste ist die Promenade) und acht von außen in die Stadt hineinragende Grünzüge festlegt. Bisher konnten sich diese Grünbereiche noch gegenüber den Forderungen nach weiteren Baugebieten behaupten.

4. § 30 BNatSchG schützt bestimmte Biotope (gesetzlich geschützte Biotope), zu denen z. B Auenwälder gehören (Abs. 2 Nr. 4), ergänzt durch den Schutz von Streuobstwiesen in § 42 Abs. 4 LNatSchG. § 41 LNatSchG schützt Alleen an öffentlichen und privaten Verkehrsflächen.

5. Gehört ein Baum zu den Fortpflanzungs- oder Ruhestätten wildlebender Tiere der besonders geschützten Art, steht der Artenschutz nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG dem Fällen eines - privaten oder öffentlichen - Baumes entgegen.

6. Einen zeitlich begrenzten Schutz zum Zwecke des Artenschutzes gewährt das Rodungsverbot nach § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG. Danach ist es verboten, zwischen dem 1. März und dem 30. September Bäume außerhalb des Waldes abzuschneiden. Allerdings besteht eine Ausnahme für „gärtnerisch genutzte Grundflächen“, was von Gegnern des Baumschutzes dahin gedeutet wird, dass Bäume in privaten Gärten davon nicht erfasst werden. Jedoch wird in dem führenden Kommentar zum BNatSchG von Schumacher/Fischer-Hüftle, 2. Aufl., § 39 Rdnr. 28 zutreffend ausgeführt, dass „gärtnerisch genutzt“ nur den Erwerbsgartenbau meint. Also gilt das Rodungsverbot auch für private Gärten (bei Verstoß: Geldbuße bis zehntausend Euro, § 69 Abs. 3 Nr. 23, Abs. 6 BNatSchG). - Der Rodungsschutz gilt für private und für öffentliche Bäume.

VI. Baumschutzsatzungen betreffen private Bäume, sind in § 29 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG vorgesehen und in § 49 LNatSchG geregelt. Danach können die Gemeinden durch Satzung den Baumbestand innerhalb des bebauten Bereichs schützen. Aus einer bei Wikipedia („Baumschutzsatzung“) aufrufbaren Abfrage ergibt sich, dass in NRW 19 Städte eine haben, 8 haben keine, 4 haben sie wieder abgeschafft.

1. Vorweg ist klarzustellen, dass ein privater Eigentümer nach § 903 BGB mit seinem Eigentum nach seiner Vorstellung verfahren (Gesetzestext: „nach Belieben“) und einen Baum auch fällen darf. Grundsätzlich stehen auch Bäume auf öffentlichen Flächen (an Straßenrändern, in Grünanlagen) im privatrechtlichen Eigentum der öffentlichen Hand, so dass sich auch die öffentliche Hand auf § 903 BGB berufen darf. Allerdings sind Straßen und Grünlagen als öffentliche Sachen gewidmet, was sich aber nicht auf die einzelnen Bäume erstreckt. So kann beispielsweise die Stadt Straßenbäume fällen, um das lichte Profil über der Straße zu erweitern oder die Sicht auf ein Baudenkmal zu verbessern.

2. Anders liegt es, wenn die Bäume durch eine Baumschutzsatzung geschützt sind. Danach dürfen Bäume von einer bestimmten Größe ab nur noch mit einer begründeten Genehmigung gefällt werden. Bei Verstößen droht ein Bußgeld. Im Falle einer Genehmigung kann eine Ersatzpflanzung verlangt werden.

3. Münster hat keine Baumschutzsatzung. 2011 hat in Münster ein Hearing stattgefunden, dessen Ergebnisse auf der Internetseite des Grünflächenamtes der Stadt Münster wiedergegeben sind. Dass es sich bei dem damalige Ergebnis, keine Baumschutzsatzung einzuführen, nicht um ein bloßes Versäumnis oder eine Verweigerung von Baumschutz handelt, zeigen die Argumente, die die Kreisgruppe Münster des BUND Ende 2016/Anfang 2017 erwogen hat und die nachfolgend wiedergegeben werden.

a) Für eine Baumschutzsatzung spricht: Eine Reihe von Fällungen könnten dadurch verhindert werden, insbesondere wenn der Baum für das städtische Grün oder für den Artenschutz bedeutend ist. Soweit eine Genehmigung erforderlich ist, wird das Grünflächenamt informiert und entscheidet über die Genehmigung. Wird sie erteilt, kann eine Ersatzpflanzung angeordnet werden. Grundstückseigentümer und Bevölkerung werden für den Baumschutz sensibilisiert. Vielfach haben nach Fällaktionen interessierte Bürger*innen ihr Missfallen darüber geäußert, dass nichts für den Schutz privater Bäume getan würde und das Verfassungsprinzip „Eigentum verpflichtet“ (Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz) insoweit leer läuft.

b) Dagegen spricht: Im Vorgriff auf die Satzung könnten mehr Bäume gefällt werden als ohne Satzung, ebenso wenn nach Erlass einer Satzung Bäume kurz vor dem Erreichen des Stammumfangs stehen, bei dem der Schutz beginnt (Gefahr von vorsorglichen Fällungen). In vielen Fällen wird die Genehmigung erteilt, beispielsweise wegen der Verkehrssicherungspflicht; wegen Gebrauchmachens von einem Baurecht; weil Wurzeln Wege oder Leitungen gefährden; weil der Baum zu einer unzumutbaren Verschattung führt; weil er eine Photovoltaikanlage behindert; weil die Garage sonst nicht erreichbar ist. Es muss auch damit gerechnet werden, dass ohne Genehmigung gefällt und das Bußgeld einkalkuliert wird. Die Schutzwirkung der Satzung ist also nur begrenzt. (Aus Hamburg ist bekannt geworden, dass es trotz BaumschutzVO jährlich ca. 6.000 an sich geschützte Bäume verliert.) Andererseits müssten für die Bearbeitung der Baumschutz-Satzungs-Fälle zwei neue Stellen eingerichtet werden, die zur Zeit nur ganz schwer finanzierbar sind oder für die Personal von anderen, möglicherweise wichtigeren Aufgaben abgezogen werden müsste. Auch droht der Vorwurf einer „Bevormundung“ der Grundstückseigentümer und der „Bürokratisierung“.

c) BUND und NABU in Münster haben sich unter dem Eindruck der Fällaktionen Ende 2016 entschlossen, sich für eine Baumschutzsatzung einzusetzen. Darüber müssen Stadtverwaltung und Rat demnächst beraten und eine Entscheidung treffen.

VII. Im Wald gelten

a) die allgemeinen Naturschutzbestimmungen wie die Festsetzung von NSGen, der Artenschutz;

b) Bewirtschaftungsbeschränkungen wie die Verpflichtung zur nachhaltigen Waldwirtschaft und zur Wiederaufforstung kahlgeschlagener Flächen in § 11 BWaldG, ergänzt durch das Landesforstgesetz;

c) das Verbot, Wald ohne Genehmigung zu roden und in eine andere Nutzungsart umzuwandeln (§ 9 BWaldG).

(Dieter Schmalz, Stand 14.06. 2017)



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